In der Welt der Nahrungsergänzungsmittel gibt es immer wieder Produkte, die versprechen, der Schlüssel zur Gesundheit zu sein. Eines davon hat in den letzten Jahren besonders viel Aufmerksamkeit erregt: AG1, früher bekannt als Athletic Greens. Jeder, der regelmäßig Podcasts hört oder treu dem ein oder anderen YouTube-Kanal folgt, hat entsprechende Produktplatzierungen vorgeführt bekommen. Hinter der glänzenden Fassade dieses grünen Pulvers verbirgt sich eine Geschichte…
AG1: Der Aufstieg eines umstrittenen Nahrungsergänzungsmittels
Ein kürzlich veröffentlichtes Video ↓ des investigativen Journalisten Scott Carney wirft ein neues Licht auf AG1 und seinen Gründer Chris Ashenden. Carneys gründliche Recherche, die sich auf Gerichtsakten aus zwei Kontinenten und Interviews mit Wissenschaftlern stützt, enthüllt eine Reihe von fragwürdigen Praktiken und eine zwielichtige Vergangenheit, die bisher weitgehend unbekannt waren.
Basierend auf Carneys Erkenntnissen fasse ich in diesem Artikel die erstaunliche Reise von AG1 zusammen – von seinen umstrittenen Anfängen in Neuseeland bis hin zu seinem aktuellen Status als Milliarden-Dollar-Unternehmen. Wie ist ein ehemaliger Gebrauchtwagenhändler zu einem der einflussreichsten Akteure in der Nahrungsergänzungsmittel-Branche geworden und welche Fragen wirft dies über die Regulierung und Vermarktung solcher Produkte auf?
Von Neuseeland nach Amerika: Der ungewöhnliche Weg des Gründers
Die Geschichte von AG1 beginnt nicht etwa in einem Labor, sondern in Neuseeland mit einem Mann namens Chris Ashenden. Bevor er zum Guru der Nahrungsergänzungsmittel wurde, versuchte sich Ashenden in verschiedenen Bereichen – vom Gebrauchtwagenhändler bis zum Polizisten.
Inspiriert von Selbsthilfebüchern (wer kennt es nicht?) stürzte sich Ashenden in die Immobilienbranche. Sein Geschäftsmodell, ein „Rent-to-Own“-Schema, erwies sich allerdings als so kreativ, dass es gleich 43 Mal gegen den neuseeländischen Fair-Trading-Act verstieß. Ups! Als die Justiz anklopfte, entschied Ashenden, dass es Zeit für einen Tapetenwechsel wäre. Amerika, das Land der unbegrenzten Möglichkeiten, schien wie gerufen.
Vom Immobilien-Hustle zum Supplement-Imperium
In den USA angekommen, stand Ashenden vor der Herausforderung, mit 5 Millionen Dollar Schulden im Gepäck ein neues Geschäft aufzubauen. Die Lösung? Ein grünes Pulver, das verspricht, alle Nährstoffe zu liefern, die der Körper braucht. Klingt super, oder?
Ashenden erkannte schnell, dass der Nahrungsergänzungsmittel-Markt in den USA deutlich weniger reguliert ist als der Immobilienmarkt in Neuseeland. Keine lästigen Behörden, die Wirksamkeitsnachweise fordern – ein Paradies für einen geschäftstüchtigen Unternehmer mit großen Visionen.
Das Geheimnis des Erfolgs: Influencer-Marketing par excellence
AG1 verbreitete sich rasant, dank einer ausgeklügelten Marketingstrategie. Das Geheimnis? Influencer, und zwar in Massen. Von Podcasts bis YouTube – überall priesen plötzlich bekannte Gesichter die Vorzüge dieses mysteriösen grünen Pulvers an.
Besonders interessant: Selbst renommierte Wissenschaftler wie Andrew Huberman und Peter Attia, deren Fachgebiete nicht unbedingt in den Ernährungswissenschaften liegen, wurden zu „wissenschaftlichen Beratern“ von AG1. Man fragt sich, ob ein Neurologe und ein Onkologe wirklich die besten Ansprechpartner für ein Nahrungsergänzungsmittel sind – aber hey, wer bin ich, das zu beurteilen…
Wenn Kritik aufkommt: Die Macht der Anwälte
Doch wie bei jedem schnell wachsenden Unternehmen blieben kritische Stimmen nicht aus. Gerüchte über Schimmel in den Zutaten und erhöhte Bleiwerte machten die Runde. AG1’s Antwort darauf? Sie engagierten einen der teuersten Anwälte des Landes, um kritische Berichterstattung zu unterbinden. Eine interessante PR-Strategie, muss man sagen.
Als der investigative Journalist Scott Carney anfing, in Ashendens Vergangenheit zu graben, wurde es AG1 offenbar zu heiß. Nichts schreit mehr „Wir haben nichts zu verbergen“ als der Versuch, Journalisten einzuschüchtern…
Die Gesundheitsversprechen
Ein kritischer Blick auf die Werbeaussagen von AG1 offenbart einige bemerkenswerte Versprechungen, die wissenschaftlich nicht belegt sind. Das Unternehmen suggeriert, ihr Produkt könne „alle Nährstoffe liefern, die der Körper braucht“ – eine äußerst umfassende Behauptung, die angesichts individueller Ernährungsbedürfnisse kaum zu verifizieren ist. Zudem wird AG1 als potenzielle Lösung für komplexe Gesundheitsprobleme dargestellt, was ebenfalls kritisch zu hinterfragen ist.
Interessanterweise verwendet AG1 einen Haftungsausschluss, der besagt, dass ihre spezifischen Aussagen nicht von der FDA validiert wurden, obwohl sie sich auf die potenziellen Vorteile ihrer Inhaltsstoffe berufen. Die Zusammensetzung des Produkts basiert auf einer „proprietären Mischung“ aus angeblich 75 Inhaltsstoffen, deren genaue Mengen nicht offengelegt werden. Das macht es zusätzlich schwierig, die Wirkungen der einzelnen Komponenten zu beurteilen. AG1 rechtfertigt diese Intransparenz als Schutz vor Nachahmern, doch Kritiker sehen darin den Versuch, die tatsächliche Zusammensetzung zu verschleiern. Insgesamt fehlen konkrete wissenschaftliche Nachweise für die Wirksamkeit des AG1-Produkts, was die Notwendigkeit einer kritischen Betrachtung solcher Werbeversprechen unterstreicht.
Der Fairness halber: Die folgenden Informationen finden sich aktuell auf der Website von AG1 zu Inhaltsstoffen und Zusammensetzung.
Mein Fazit: Ein Weckruf für die Nahrungsergänzungsmittel-Branche
Die Geschichte von AG1 ist in vielerlei Hinsicht exemplarisch für die Nahrungsergänzungsmittel-Branche. Sie zeigt, wie ein geschickter Unternehmer mit der richtigen Marketingstrategie aus einem einfachen Produkt ein Millionengeschäft machen kann – auch ohne stichhaltige wissenschaftliche Beweise für dessen Wirksamkeit.
Als jemand, der selbst Nahrungsergänzungsmittel einnimmt, finde ich diese Geschichte besonders beunruhigend. Einerseits gibt es viele Substanzen, deren Wirksamkeit wissenschaftlich nachgewiesen ist. Andererseits bleiben oft Fragen zur Herstellung und möglichen Verunreinigungen offen. Der Fall AG1 verdeutlicht, wie dringend notwendig Veränderungen in dieser Branche sind.
Wie könnte ein besserer Nahrungsergänzungsmittel-Markt aussehen?
- Strengere Regulierung: Ähnlich wie bei Arzneimitteln sollten auch Nahrungsergänzungsmittel strengeren Kontrollen unterliegen.
- Transparenz in der Herstellung: Unternehmen sollten verpflichtet sein, ihre Produktionsprozesse offenzulegen.
- Unabhängige Qualitätstests: Regelmäßige, unangekündigte Kontrollen durch unabhängige Labore könnten die Produktqualität sicherstellen.
- Wissenschaftliche Fundierung: Studien & Wirksamkeitsnachweise sollten zur Pflicht werden, bevor Produkte auf den Markt kommen.
- Klare Kennzeichnung: Verbraucher sollten leicht erkennen können, welche Inhaltsstoffe in welcher Menge enthalten sind.
Diese Maßnahmen könnten dazu beitragen, dass wir als Verbraucher hochwertige und sichere Produkte erhalten. Bis dahin bleibt es wichtig, kritisch zu hinterfragen und vorsichtig zu sein – auch wenn das Marketing noch so verlockend klingt.
Die Grundlagen eines gesunden Lebens
Bevor ich diesen Artikel abschließe, ist es mir wichtig, einen Schritt zurückzutreten und an die Grundlagen zu erinnern. Während Nahrungsergänzungsmittel unter Umständen nützlich sein können, sollten wir nicht vergessen, dass sie genau das sind: Ergänzungen! Sie können eine gesunde Lebensweise unterstützen, aber nicht ersetzen.
Die wahren Säulen eines gesunden Lebens sind seit langem bekannt und wissenschaftlich gut belegt. An erster Stelle steht eine ausgewogene Ernährung. Eine vielfältige, nährstoffreiche Kost mit viel Gemüse, gesunden Fetten und Vollkornprodukten bildet das Fundament unserer Gesundheit. Ebenso wichtig ist regelmäßige Bewegung. Körperliche Aktivität stärkt nicht nur unseren Körper, sondern fördert auch unsere geistige Gesundheit und unser allgemeines Wohlbefinden. Nicht zu vergessen ist ausreichend Schlaf. Erholsamer Schlaf ist entscheidend für unsere körperliche und geistige Regeneration. Er unterstützt unser Immunsystem, unsere kognitiven Funktionen und unsere emotionale Balance.
Kein Nahrungsergänzungsmittel, sei es noch so ausgeklügelt oder teuer, kann diese Grundpfeiler ersetzen. Stattdessen sollten wir uns darauf konzentrieren, diese Bereiche in unserem Leben zu stärken.
Wie immer gilt:
Glaub mir nicht einfach, was ich hier schreibe.
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